Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als ich von meiner Mutter endgültig Ab schied nehmen musste. Das war wohl die schwerste Erfahrung meines noch nicht allzu langen Lebens. Es ist davon manches übrig geblieben: einige unbeantwortete Fragen, einige sehr tröstende Erinnerungen, aber auch ein vertieftes Verständnis dessen, was Zeit eigentlich ist. Die Erfahrung des Todes hat mir den Wert meiner Zeit erst richtig deutlich gemacht.
Seitdem versuche ich, mich zu meiner Zeit anders einzustellen. Für manches ist sie mir einfach zu schade. Ich 20 möchte etwas daraus machen. Schließlich ist sie mir von Gott kostbar „anvertraut“: „Geh gut damit um! Mach etwas daraus – für mich , für andere – aber auch für dich!“ Dabei hilft mir der gute Rat, den Bernhard von Clairvaux schon vor Jahrhunderten gab:
„Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst. Du fragst dich, an welchen Punkt? – An den Punkt, wo das Herz hart wird. Frage
nicht weiter, was damit gemeint sei; wenn du jetzt nicht erschrickst, ist dein Herz schon soweit.“
Wenn ich ihn richtig verstehe, heißt das doch: schenke auch dir selber Zeit – so wie den anderen und so wie Gott. Denn dein Herz soll nicht krank und auch nicht hart werden. Plane in deinen Tages- und Wochenablauf eine Zeit ein, die du ganz allein für dich hast – in der du deinen Gedanken nachgehst, über ein Wort Gottes nachdenkst, in der du Musik hörst, betest, dich in ein Bild vertiefst … Oder setz dich mit ein paar guten Freunden zusammen, um mit ihnen zu schweigen. Alles das hilft, Zeit als das zu erkennen, was sie ist – ein Geschenk Gottes.
Autor: Andreas Ullrich, Oelschlägerstr. 53, 47798 Krefeld / Pastor der FeG Krefeld