In allen Kirchen gibt es eine pastorale Sorge für die Seele, die diese Welt verlässt. Im orthodoxen Totengottesdienst gibt es noch eine weitere genauso wichtige und zugleich nicht zu unterschätzende Facette: die der Sorge um den Leib. Diese Aufmerksamkeit sowie die generelle Einstellung der Orthodoxen Kirche dem Leib gegenüber stellt eine Besonderheit dar. Da wir uns dessen bewusst sind, dass unser irdischer Leib zur Verwesung verurteilt ist – „aus Erde bist du erschaffen und wirst zu Erde werden“ – , wird dieser Gedanke und der Anblick des körperlichen Verfalls besonders schmerzhaft empfunden. Der uns so liebeund wertvolle Körper wird jetzt zu leblosem Staub; wir können zum Ort gehen, wo er begraben ist, und sein Grab pflegen, aber die Gemeinschaft zwischen uns und dem Verstorbenen ist keine körperliche Angelegenheit mehr. Er befindet sich bei Gott. Wir müssen in unserer Einstellung zum Tod ein Gleichgewicht finden zwischen der Akzeptanz der Tatsache, dass wir vergänglich sind, und der Glaubensgewissheit, dass unsere Beziehung zum Verstorbenen in Gott für ewig fortgesetzt wird.
In der Heiligen Schrift werden die Termini “Leib” und “Seele” verwendet, um den Menschen als Ganzes zu charakterisieren. In der Tat ist die Verbindung zwischen Leib und Seele, zwischen Leib und geistiger Erfahrung vollkommen und ganzheitlich. Alle unsere Sinne haben Anteil an jeder Aktivität sowohl des Verstandes als auch des Herzens. Die Liebe wird beispielsweise in allen ihren Formen durch den Körper ausgedrückt. Wenn wir also einen Leichnam sehen, sehen wir nicht eine leblose Hülle, wie viele behaupten, da sie meinen, sich auf diese Weise trösten zu können und den Schmerz des Verlustes des geliebten Menschen mildern zu können. Wir sehen einen Körper vor uns, der ebenso real ist wie die Seele, wie die verstorbene Person insgesamt. Deshalb betrachten wir diesen toten Körper mit Respekt und Hochachtung.
Metropolit Anthony von Sourozh schreibt bezeichnenderweise: „Jeder Leib, der mit Liebe umgeben wurde, berufen zur Auferstehung, – ein Leib, der im Lauf seines ganzen Lebens entscheidend durch die Taufe, die Firmung und den Empfang des Leibes und Blutes Christi in der Kommunion sowie die Annahme des gesamten Segens zur mystischen Gemeinschaft mit Gott beigetragen hat – jeder solche Leib ist, so wie er es auch zuvor war, ein Samenkorn‚ das verweslich gesät wird und unverweslich auferweckt wird.‘ Dieser verwesliche Leib ist gleichzeitig zur Ewigkeit berufen. An Christus und der Gottesgebärerin sehen wir das, wozu unser Körper berufen ist: ein verherrlichter Leib zu sein.“ Folglich spaltet der Tod die Christen nicht. Mag unser Herz auch gebrochen sein, weil wir uns von einer geliebten Person verabschieden, mögen wir auch überrascht sein von der Tatsache, dass ein menschlicher Körper stirbt, trotzdem betrachten wir in der Gewissheit des Glaubens und der Hoffnung auf die Auferstehung diesen Körper, der dereinstauferstehen wird wie jener Jesu Christi.
Tief verwurzelt gibt es in uns jene Gewissheit, dass der Tod, der für uns Trauer und Verlust bedeutet, eine Geburt für die Ewigkeit ist, kein Ende, sondern ein neuer Anfang, eine heilige und gesegnete Begegnung mit dem Schöpfer.
Archim. Sevastianos Latsas